Redebeitrag vom 3.Oktober 2016

2016

liebe Antifaschist*innen, liebe Freund*innen,
wir demonstrieren heute, weil wir die fremdenfeindliche, rassistische & nazistische Hetze unendlich satt haben – deshalb lautet auch das Motto heute: Schluss mit dem Nazischeiss!

In Zeiten, in denen rechtspopulistische Parteien wie die sogenannte Alternative für Deutschland, in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg Vorpommern und Berlin die 14 %-Marke knacken, scheint es leider nötiger denn je, vehement für eine Gesellschaft für alle einzutreten. Hat sich die AfD zu ihrer Anfangszeit noch als „eurokritische“ Partei der besorgten Bürger*innen darzustellen gewusst, scheint sie sich heute eindeutiger zu positionieren: sie mobilisiert nicht nur Wirtschaftsliberale & sogenannte Eurokritiker*innen, sondern auch Unterstützer*innen der Extremen Rechten. Mit diesem Klientel geht ein traditionelles und längst überholtes Familien & Frauenbild, welches vor dem vermeintlich bösem Gender Mainstreaming geschützt werden muss, & eine Ausblendung von Sexualitäten & Identitäten jenseits der heterosexuellen Norm einher. In ihrem Grundsatzprogramm¹ aus dem Jahr 2016 stellt die AfD die Ehe und Familie als „Keimzellen der bürgerlichen Gesellschaft“ dar – wobei unter Ehe immer eine heterosexuelle Partner*innenschaft zu verstehen & Familie als Kernfamilie mit Mutter, Vater und Kindern zu denken ist. Sie betonen ausdrücklich, dass jede Verbindung, die nicht zwischen Mann und Frau eingegangen wird, niemals die gleiche Anerkennung erlangen kann. Hinter restriktiven Forderungen wie „mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ verstecken sich dann als Familienpolitik getarnte Ideen einer deutschen Volksgemeinschaft, die einen völkischen Nationalismus in Deutschland wieder aufleben lassen. Die Forderungen der AFD beziehen sich zudem z.B. auch auf den Sprachgebrauch – aus ihrer Sicht besteht keine Notwendigkeit einer reflektierten und gendersensiblen Sprache. Die Existenz verschiedenster Geschlechter wird so verschwiegen und missachtet. Sprache hat Auswirkungen auf unser Denken und unser Handeln. Wir finden es wichtig, uns mit den verschiedenen Formen von Sprache auseinanderzusetzen, um möglichst vielen Menschen Raum in und mit unseren Sprechakten zu geben und den Versuch zu starten den Unsichtbarmachungen von Personen z. B. aufgrund ihrer geschlechtlichen Identitäten entgegenzuwirken. Sprache schafft Realität und in der Realität, die die AfD durch ihre Sprache zu schaffen versucht, möchten wir nicht leben.

Eine ähnliche Position vertritt das Phänomen der PEGIDA, das sich dazu berufen fühlt deutsche Frauen* vor vermeintlich gefährlichen Migranten zu schützen. In ihrem Positionierungspapier² aus dem Jahr 2014 flennt PEGIDA aufgrund der von ihr imaginierten „nahezu schon zwanghafte[n], politisch korrekte[n] Geschlechtsneutralisierung“ der Sprache. Dass Sprache einerseits immer schon flexibel und wandelbar war, und andererseits auch Sprechakte gegen Diskriminierungen einen Gewinn für uns alle darstellen, scheinen auch die PEGIDA-Anhänger*innen nicht verstanden zu haben.

Ähnlich verhält es sich auch mit den lokalen Neonazis der Partei Die Rechte Hamm. In ihrem aktuellen bundesweiten Parteiprogramm³ stellt sie ihre Strategie der Emanzipation von Geschlechtern als Gleichberechtigung der Frau* durch die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung dar. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um den Versuch Frauen* aus der privaten Sphäre von Care-Arbeit herauszuholen & in die öffentliche, immer noch männlich konnotierte, Arbeitssphäre einzubetten. Vielmehr sollen Frauen* durch einen sogenannten „Müttergehalt“ & eine damit einhergehende legitimierte Anerkennung von weiblicher Hausarbeit an Familie und Erziehung gebunden werden, um das Ideal der traditionellen Familie zu sichern.
Das Gefährliche an PEGDIDA, AfD und Co. ist für uns aber vor allem der Zuspruch aus der Mitte der Gesellschaft. Nicht ohne Grund hat die AFD in einigen Bundesländern einen Wahlerfolg aus dem Stand erreichen können: Menschen sehen ihre Inhalte, Einstellungen & Ressentiments in Landtagen und auf der Straße vertreten. Dies führt leider immer weiter zu einem Rückschritt im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit. Mehr Stimmen für diese Fraktionen bedeuten mehr Stimmen gegen ein selbstbestimmtes und freies Leben für uns alle.

Liebe Antifaschist*innen, wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir es satt haben uns ständig gegen veraltete Traditionen und Geschlechterrollen behaupten zu müssen. Es nervt übersehen und untergeordnet zu werden, aber wir werden weiter kämpfen – Schluss mit dem Nazischeiss und her mit einer Gesellschaft, die für alle ist.

¹ https://cdn.afd.tools/sites/6/2016/05/28100239/2016-06-27_afd-grundsatzprogramm_web-version.pdf
² http://www.i-finger.de/pegida-positionspapier.pdf
³ http://worch.info/die-rechte/pdf/Parteiprogramm.pdf